Schon am Morgen unternahm ich einen Spaziergang um das SALEM-Dorf bei Mbale in Ost-Uganda und die benachbarten Ländereien. Überall fruchtbare Felder, auf denen werktags überwiegend Frauen und junge Mädchen den Boden mit der Hacke bearbeiten, auflockern und Unkraut jäten. Feldarbeit ist hier immer noch hauptsächlich Frauenarbeit. Nur selten sieht man einen Mann mit der Hacke arbeiten – ist wohl unter seiner Würde. Die Männer, die keine Arbeit in der Stadt finden – und es sind viele – sitzen herum und schwatzen.
Am Brunnen, den Salem bauen ließ, war schon am Morgen reger Betrieb. Auch hier überwiegend Frauen und Mädchen, ein paar Jungs. Wasser holen ist Sache der Frauen und Kinder. Sie tragen nicht selten 10 und mehr fassende gelbe Kanister auf ihren Köpfen nach Hause. Auch die Kinder oft schon bis zu 5 Liter.
Ansonsten war es heute sehr ruhig in den „Compounds“- wie die ländlichen Anwesen heißen – die oft nur aus ein paar runden Lehmhütten bestehen, die mit Gras, Bananen- oder Palmblättern gedeckt sind. Wer es sich leisten kann, hat ein viereckiges Haus aus roten, selbstgebrannten Ziegelsteinen und mit einem Wellblechdach. Da staut sich zwar die Hitze und bei einem starken Regenguss prasselt es höllisch laut, aber es hält länger als ein Grasdach. Viele Anwesen haben direkt im Umkreis ihre Felder, bepflanzt mit Mais, Bohnen, Maniok, Kartoffeln oder Erdnüssen, häufig in Mischkultur. So kommt es, daß die Siedlungen sehr verstreut liegen. Nur an der Hauptstraße entlang stehen die Häuser dichter beieinander. Da wird dann auch Gemüse und Obst von den Frauen angeboten, die Männer verkaufen Geflügel oder Fleisch, das einfach auf einem Stand liegt oder an der Bude hängt. In der Sonne, von Mücken umschwärmt.
Am Abend ging ich nocheinmal zum Nachbardorf. Auf dem großen Platz vor der Schule spielten die Jungs Fußball, barfuß die meisten. Aber das Geschrei und der Spass waren groß. Erinnerungen an die eigene Kindheit im Dorf kamen in mir hoch. Beschauliches, friedliches Dorfleben. Eine Oase der Ruhe, verglichen mit den größeren Städten. Ganz zu schweigen von Kampala, der modernen, quirligen, lauten, geschäftigen und von Autoabgasen stinkenden Hauptstadt. Das Dorf: ohne Autos, ohne Fernsehen – nur hin und wieder ein altes Transistor-Radio. Die Leute sitzen beinander, schwatzen, lachen. Ein paar Männer trinken am Abend aus einem großen Topf zusammen „Maruha“,ein obergäriges Hirsebier, süßlich, mit warmem Wasser immer wieder aufgegossen. Es wird aus langen schilfähnlichen Halmen oder auch Plastikschläuchen getrunken, die reihum gereicht werden. Die Frauen bereiten das Abendessen, dann erledigen sie den Abwasch und bringen die Kinder zu Bett. Oft schlafen alle, oder wenigstens die Kinder in nur einem Raum.
Ländliche Idylle!? Wenn nur die bittere Armut nicht wäre. Die zerlumpten Kinder, die älteren, abgehärmten Frauen, von der Arbeit und dem vielen Kindergebären ausgezehrt. Und doch begegnet man überall fröhlichen Gesichtern, Ausgelasenheit, Gesang und Tanz.
Wir könnten so viel von disesen Menschen lernen:
Gelassenheit, Fröhlichkeit (die vom Herzen kommt, nicht aufgesetzt ist), Bedürfnislosigkeit.
Einfach leben, jetzt und heute. Gestern ist vorbei und morgen noch nicht da! Jetzt, der Augenblick ist wichtig, nur er zählt.
Inzwischen ist es Abend geworden. Nicht plötzlich, wie so oft von Afrika erzählt wird. Nicht hier im Osten von Uganda. Die Dämmerung dauert gut eine halbe Stunde. In den Bäumen zirpen die Zikaden. Die matte Scheibe des Mondes wirft ein fahles Licht auf das Dorf und die Landschaft. In den Häusern brennen Kerzen oder Petroleumlampen. Strom gibt es nicht im Dorf. Die Leute gehen früh schlafen. Kein Fernsehen, kein Buch lesen. Wenn das Feuer vor dem Haus erlischt, ist es Zeit sich schlafen zu legen. Einem neuen Morgen, einem neuen Tag entgegen.
Siggi Kunz, SALEM/Uganda im Juli 2010