Im Village

Um einmal den Alltag im „village“ hautnah zu erleben habe ich mich bei einer typisch ugandischen village Familie eingeladen.
Mit dem Fahrrad erreiche ich das Anwesen der Familie. Ich hatte mich auf eine Übernachtung auf dem Fußboden eingestellt und daher weicheimäßig meine aufblasbare Matte eingepackt.

Frau kocht in der dunklen Hütte © M. Wolff

Aber Kassifa verfügt über eine hochgebockte Matratze und als Gast habe ich keine Chance diese Schlafgelegenheit abzulehnen. Sie schläft mit dem Enkelkind auf dem Fußboden neben mir, der Ehemann (im Moment scheint er öfter da zu sein, damals war er gerade bei seiner Zweitfrau) auf einer Bastmatte im Nebenraum. Dieser Nebenraum ist ein echter Multifunktionsraum. Hier werden die Säcke mit geernteten Lebensmitteln gelagert, die Fahrräder diebstahlsicher verstaut, zeitweise dient er als Hühnerstall und ansonsten als Ess- und Wohnzimmer. Einzige Möblierung dafür ist die aufrollbare Bastmatte. Kleiderschränke gibt es selbst in besseren Hütten keine. Koffer, Taschen und Plastiktüten reichen für die Habseligkeiten, die öfter benutzten Sachen hängen über einer Schnur irgendwo im Schlafbereich.
Der Abend erweist sich als ziemlich unromantisch. Auch hier, tief im Dorf, ohne Wasser und Strom nichts mit Trommeln und Singen. Während sich die älteren männlichen Mitglieder der Familie irgendwo zum Radiohören oder Sonstigem zurückgezogen haben, steht für den weiblichen Part Kochen auf dem Programm. In der Kochhütte steht sogar ein Exemplar des komfortablen Lehmofens (inzwischen hat sich herausgestellt, dass im Rahmen eines Projektes vor 5 Jahren etliche von diesen Öfen hier in der Gegend gebaut wurden), allerdings ist er kaputt und er wird nicht repariert, da in der Küche während der Nacht die Kühe zum Schutz vor Dieben eingeschlossen werden. Also kommt die 3-Steine-Kochstelle zur Anwendung, die Beleuchtung besteht aus einer winzigen Kerosin-Lampe. Zum ersten Mal bereue ich, keine bessere Kameraausrüstung dabei zu haben. Das Bild der auf dem Boden sitzenden Frau in ihrem umgeschlagenen Gomez (traditionelles Kleid) vor der Feuerstelle wirkt unglaublich romantisch, im Gegensatz zur Wirklichkeit ! Befeuert wird mit dünnen Stöckchen, immer wieder muss das verlöschende Feuer angepustet werden. Am schweißtreibensten ist die Zubereitung der Hauptnahrungsmittel Posho oder Millet-bread. Aus dem Mais bzw. dem Hirsemehl wird ein zäher Teig zubereitet, der mit einem großen Holzlöffel immer wieder u geknetet werden muss. Ich versuche mich nur kurz daran, Hitze und Qualm zwingen mich schnell zum Aufgeben.
In der Tür sitzen die an Aids erkrankte Tochter, deren Mann vor kurzem gestorben ist und der kleine Enkelsohn. Jetzt verstehe ich auch warum die Ugander so spät zu Abend essen. Das Kochen beginnt erst nach Anbruch der Dunkelheit und dauert (zumindest auf offenem Feuer) ewig. Gegessen wird oft erst gegen 22 Uhr oder sogar später. Unsere Mahlzeit findet im „Mehrzweckraum“ statt.
Eingepfercht zwischen Säcken und Fahrrädern sitzen wir auf der Bastmatte. Die ganze Familie ist versammelt, es wird geschwätzt und gelacht, den Kleineren fallen beim Essen schon die Augen zu. Die Latrine ist mit dem Gewimmel von Kakerlaken im Schein der Taschenlampe wenig einladend, da nehme ich doch lieber das Gebüsch!
Anfangs macht mir auch der Geruch im Haus etwas zu schaffen. Fenster gibt es in den Häusern/Hütten- wenn überhaupt – nur kleine, die Fensterläden sind meist geschlossen. Aber nach dem Essen habe ich mich an den stickigen Geruch gewöhnt und schlafe erstaunlich gut.

Der nächste Tag ist kein typischer Arbeitstag. Es ist Weltfrauentag – in Uganda mal wieder ein öffentlicher Feiertag. Hier im Dorf macht sich das hauptsächlich dadurch bemerkbar, dass die Kinder nicht zur Schule gehen. Die 11-jährige Tochter wuselt den ganzen Tag herum, fegt, spült, kocht und holt Wasser. Ich versuche mich auch mit dem Wasser holen, aber der 20 l
Kanister ist mir definitiv zu schwer. Ich gebe mich mit 10 l auf dem Kopf zufrieden. Zum Glück sind die Wasserstellen in dieser Gegend selten weiter als ein paar hundert Meter entfernt. Nicht wie in anderen Regionen Afrikas, wo die Menschen etliche Kilometer mit der kostbaren Fracht unterwegs sind.
Was mich ein bisschen erschreckt ist der geringe Englisch Wortschatz dieses aktiven Mädels. Sie ist in der 5. Klasse und müsste Englisch schon als Unterrichtssprache haben!
Angeblich gibt es einige Männer, die an diesem Tag für ihre Frauen kochen, bei Kassifas Mann ist das nicht der Fall. Er ist hauptsächlich für die Tiere zuständig, eine Aufgabe, die er sich allerdings mit den Söhnen teilt. Die Hausarbeit ist klare Frauensache, nur beim Waschen beteiligen sich auch die Söhne.
Feldarbeit gibt es an diesem Tag keine, es ist noch immer zu trocken. So verläuft der Tag eher gemächlich. Kassifas Schwester Fatuma, die ich von Salem kenne, kommt zu Besuch. Gemeinsam besuchen wir den Onkel, einen alten Mann, mit dem ich, wie sich herausstellt, schon bei meiner Brassband getanzt habe. Er lädt mich gleich zu einer Feier am kommenden Sonntag ein, die Welt ist auch in Uganda manchmal klein.
Beim Mittagessen werde ich dann wieder mit ugandischen Ritualen konfrontiert. Ein Gast ist immer etwas Besonderes. Er bekommt ein besonderes Essen und oftmals isst er alleine (weil ungestört) Zweites bleibt mir zum Glück erspart, aber Fatuma und ich bekommen die besten Sachen und natürlich das Fleisch. Während diese Tradition von den ugandischen Gästen gerne akzeptiert wird, fühle ich mich immer unwohl. Ich löse den inneren Konflikt, indem ich einfach wenig esse und die Reste dann an die Runde weitergebe. Eigentlich würde ich am liebsten gleichzeitig mit Fatuma aufbrechen, aber die Familie will mich noch nicht gehen lassen. Also willige ich in einen Mittagsschlaf auf der inzwischen vertrauten Matratze ein. Unter dem Blechdach herrschen alles andere als angenehme Temperaturen, fast ein wenig neidisch schaue ich auf die grasgedeckten Hütten der Kinder. Die sind in der Regel wesentlich kühler, allerdings nicht immer regendicht (je nach Ausführung und Alter). Da das Gras nicht in dieser Region wächst, ist es zudem teurer als die Wellbleche und verschwindet daher zunehmend aus dem Landschaftsbild. Als ich aufwache höre ich ein Stimmengewirr. Kundschaft sitzt vor der Hütte. Kassifa ist wirklich rührig. Neben ihren häuslichen Aufgaben, der Feldarbeit und ihrem ehrenamtlichen Engagement als Gesundheitshelferin betätigt sie sich auch noch als Händlerin, fährt früh morgens mit dem Fahrrad los, kauft Reis und Tomaten, sortiert den Reis nach Qualität und verkauft beides in kleinen Portionen an ihre Nachbarn. So hat sie es inzwischen zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht, den man mit europäischen Augen jedoch kaum erkennt. Aber sie hat Land und einige Tiere und nutzt die Erlöse daraus, wie alle ugandischen Familien, um ihre Kinder zur Schule zu schicken. Einer der älteren Söhne bastelt derweil an einem Radio, genauer gesagt am Innenleben, außer einigen Platinen ist nichts zu sehen. Als Lötkolben dient ein, immer wieder ins Feuer gehaltener Schraubenzieher. Auf jeden Fall erklingt am Ende der Aktion das Radioprogramm aus den irgendwie angeschlossenen Computerboxen.
Nach einem Spaziergang durch die nähere Umgebung kann ich mich endlich loseisen. Die einbrechende Dunkelheit ist immer ein akzeptierter Grund; will man irgendwo nur einen Kurzbesuch machen, empfiehlt es sich immer erst am späten Nachmittag aufbrechen.

Leben im Dorf © M. Wolff

 

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