Das Leben als LRA Opfer

Mary (Name geändert) lebt am Stadtrand von Lira. Ein Überleben ist schwer. Sie verkauft etwas Hirse im Kleinhandel. Sie hat 2 Kinder, der Sohn hat keine Arbeit und und bemüht sich selbst durchzukommen, die Tochter ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie an der Armutsgrenze.

Mary war auf dem Weg vom Dorf zum Feld, gemeinsam mit ihrem Mann und anderen Dorfbewohnern. Sie wollten Cassava ernten. Auf einmal kamen die Rebellen und hielten die Gruppe fest. Während Mary befragt wurde, wo sie her käme, was sie mache und wann die anderen Dorfbewohner zum Feld gingen, fingen die Rebellen der LRA (Lord Resistance Army) an, einen nach dem anderen zu töten. Schließlich war Mary noch als Einzige am Leben.

Ein Rebelle schickte nach einer Rasierklinge. Damit wurden ihr die Lippen und die Ohren abgetrennt. Ein Aufseher bemängelte die schlechte Arbeit und so wurde weiter am Ohr geschnitten. Dann gingen die Rebellen und ließen die blutende Frau alleine.

Mary nahm ein Tuch und versuchte das Blut aufzufangen, doch es war fast unmöglich. Auf dem Weg nach Hause kollabierte sie immer wieder, dabei schlug sie sich die Zähne aus.

Von Verwandten wurde sie schließlich ins Krankenhaus gebracht. Später half ihr die Organisation Medicins sans frontiers und sie wurde in Kampala operiert. Bis heute waren es 9 Operationen. Immer wieder wachsen die Lippen zusammen, kürzlich konnte sie nur noch mit einem Strohhalm Nahrung zu sich nehmen, doch auch die nächste Operation ist voraussehbar, doch der Kontakt zur Hilfsorganisation, die Lira längst verlassen hat, ist weg.

Mary hat versucht wieder nach Hause zu ihren Verwandten zu gehen. Sie wurde herzlich aufgenommen, alle freuten sich, dass sie am Leben war. Sie wurde gastfreundlich bewirtet. Doch Mary konnte die Köstlichkeiten, die für sie gekocht wurden,  nicht  genießen. Die ganze Erinnerung an das, was ihr widerfahren war, kam in ihr hoch. Bis heute ging sie nie wieder in das Dorf zurück.

Jetzt lebt sie in einer Rundhütte am Stadtrand von Lira, so wie viele, die durch den 25-jährigen Krieg nicht mehr wissen wohin sie sollen oder sich dort eben eingerichtet haben. Nur die kleine Rundhütte von Mary hat kein Dach. Ein guter Samariter gab ihr eine alte Plane. Die Mauern sind kaum einen Meter hoch. Das Land, auf dem das Haus steht, gehört nicht ihr, es ist im Besitz der Kirche.

Mich hat der Besuch bei Mary sehr betroffen gemacht. Sie erzählte  ihre so schmerzhafte Geschichte, zeigte voller Hoffnung die Behandlungsunterlagen.

Doch am schlimmsten fand ich anschließend, als ich Freunden von meinem Besuch bei  Mary erzählte, dass ihre  Geschichte bereits bekannt war, sie war bereits im Internet zu finden, unter richtigem Namen. Wie viele “Paparazzi” haben wohl damit schon ihr Geld verdient und was hat Mary davon?

Über eine kleine Organisation in Lira soll geklärt werden, ob eine Fertigstellung des Hauses möglich ist. Das soll dann auch unterstützt werden.

Im Januar will ich wieder bei Mary vorbei schauen. Hoffen wir mal, dass sie dann unter menschenwürdigen Bedingungen leben kann.

Veröffentlicht von

Gertrud Schweizer-Ehrler

Jahrelange Erfahrung in der Mitarbeit einer NGO (SALEM International) in Uganda und nachfolgend bleibender Kontakt mit dem Land, v.a. durch das Engagement bei Tukolere Wamu e.V. und die Mitarbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit haben dazu geführt, dass ich weiterhin starkes Interesse an der Entwicklung von Uganda und den Nachbarstaaten habe. Durch die Projekt- und Begegnungsreisen, die ich seit 2004 als Reiseleitung betreue und seit 2010 als Geschäftsführerin von Tugende Begegnungsreisen UG ist ein ständiger Kontakt mit Uganda gegeben. Die Reisen haben sich ausgeweitet, so dass auch Reisen nach Südsudan, dem Kongo und demnächst Burundi möglich werden bzw. wurden.

Schreibe einen Kommentar