Ostkongo zu Coronazeiten

Sozioökonomische Krise

Pater P. Ekutt, Mahagi

Im Moment ist die Welt in Aufruhr und Afrika in Panik. Die Unsicherheit der Zukunft in Hinblick auf die Coronapandemie wir immer besorgniserregender und bedroht die Stabilität. Das soziale Leben ist zum Stillstand gekommen, der Verlust der täglichen Routine, der finanzielle Verlust durch die Unterbrechung der beruflichen Arbeit, die Folgen sind schwer einzuschätzen.

Es handelt sich um eine Krankheit ohne Grenzen, aber jedes Land reagiert seinen Möglichkeiten entsprechend. In unserer abgelegenen Provinz im Herzen Afrikas im Osten der Republik Kongo lähmen die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung der Erkrankung das tägliche Leben, nicht nur durch das Virus, sondern auch durch die Situation, dass sich die arme Bevölkerung auch im Normalzustand nur schwer zurechtkommt. Besonders schwierig ist dies für uns, die wir an der Grenze zu Uganda leben.

Die Ausgangsbeschränkungen haben einen starken negativen Effekt auf das Leben der armen Menschen, die sich trotzdem auf den Marktplätzen treffen. Sie haben keine Angst vor Covid-19, sonder davor, dass die Ausgangsbeschränkungen das tägliche Leben lähmen. Wie soll man mit Ausgangsbeschränkungen leben, wenn noch nicht einmal die Basisversorgung gesichert ist? Ohne Elektrizität im Haus? Im der Morgendämmerung muss man Wasser holen am einzigen gemeinsamen Brunnen des Dorfes. In vielen Familien muss alleine die Mutter die zahlreichen Kinder versorgen durch den täglichen Kleinhandel. Die Ausgangsbeschränkungen ersticken eine Bevölkerung, die bereits vorher kaum über Mittel zum Überleben verfügte.

In diesem Klima der Unverständlich werden von manchen Kirchenvertretern heimliche Gottesdienste organisiert, die die Polizei gelegentlich auflöst. Eine Bevölkerung, für die diese Veranstaltungen der einzige Trost in Krisenzeiten ist, reagiert mit Unverständnis auf das Schließen von Kirchen. Eine Aufklärung über die Notwendigkeit der Maßnahmen findet nicht statt.

Sicherheitskrise

Wir leben ungefähr 12 Kilometer von der ugandischen Grenze entfernt, die geschlossen ist. Da die kongolesische Wirtschaft exportorientiert und damit abhängig von Uganda ist, sind die vor allem Lebensmittelpreise stark gestiegen. Wir müssen uns jetzt nach der 180 km entfernten Provinzhauptstadt Bunia orientieren. Um dorthin zu gelangen muss man zwei Rebellengebiete durchqueren, die die Bevölkerung seit drei Jahren massakrieren. Die Bevölkerung leidet seit den neunziger Jahren an dem interetnischen Konflikt zwischen den Hema und Lendu. Zusätzlich haben sich zwei neue Banden gebildet, die die Bevölkerung terrorisieren. Die verschiedenen Regierungen waren nie in der Lage, die Region zu kontrollieren. Jeden Tag gibt es Tote. 80% der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft, musste aber aus Sicherheitsgründen mittellos in die größeren Orte oder Camps flüchten oder in die Wälder, wo sie unter menschenunwürdigen Umständen leben müssen.

Covid, noch eine Krise!

Obwohl die Menschen unter des schwierigsten Bedingungen leben, sind sie bereit zu kämpfen und bei null anzufangen. Ich erinnere mich, wie ich im November die Eucharistiefeier mit Flüchtligen aus dem Südsudan im Kongo gefeiert habe und mich diese Menschen durch ihren warmen Empfang und ihre Bereitschaft, sich in die lokale Bevölkerung zu integrieren, beeindruckt haben. Nicht ich habe sie getröstet, sie haben mich getröstet durch ihre Kraft unter solchen Bedingungen zu leben.

Vor der Coronapandemie litt die Provinz unter dem Ebolaausbruch mitten im Bürgerkrieg. Heute erschöpft die Coronapandemie zusätzlich die Bevölkerung, die bereits so sehr unter Unsicherheit und extremer Gewalt leidet.

Außergewöhnliche Widerstandskraft

Ich denke an all die Kinder, die ihren Müttern ins Ungewisse folgten, all die abgebrannten Häuser, verlassene Dörfer, an all die Toten. Ich möchte ein Ende dieses Leides sehen! Möge Gott Mitleid haben!

Im letzten Jahr habe ich an mehreren Friedensdemonstrationen teilgenommen. Verzweifelte Frauen forderten die die staatlichen Stellen auf, die Verantwortung zu übernehmen. Was mich in den ganzen Jahren meiner Missionstätigkeit am stärksten belastet ist die Verletzlichkeit der Bevölkerung, die seit Jahren leidet. Die Menschen mussten ihre Häuser verlassen und unter schwierigsten Bedingungen leben..

Eine Ursache der Widerstandsfähigkeit der Menschen liegt in der Familie und dies gibt mir Kraft für meine Arbeit als Missionar. Für ein so geschundenes Volk ist die Familie eine Quelle der Unterstützung spirituell im Hinblick auf Sicherheit. Die persönliche Kraft beruht auf dem Schutz durch die Familie. Es sind sehr viele Menschen traumatisiert und die Menschen sind Opfer der schrecklichen Verhältnisse. Aber die Familie gibt auch in dieser Situation einen gewissen Rückhalt.

Veröffentlicht von

Gertrud Schweizer-Ehrler

Jahrelange Erfahrung in der Mitarbeit einer NGO (SALEM International) in Uganda und nachfolgend bleibender Kontakt mit dem Land, v.a. durch das Engagement bei Tukolere Wamu e.V. und die Mitarbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit haben dazu geführt, dass ich weiterhin starkes Interesse an der Entwicklung von Uganda und den Nachbarstaaten habe. Durch die Projekt- und Begegnungsreisen, die ich seit 2004 als Reiseleitung betreue und seit 2010 als Geschäftsführerin von Tugende Begegnungsreisen UG ist ein ständiger Kontakt mit Uganda gegeben. Die Reisen haben sich ausgeweitet, so dass auch Reisen nach Südsudan, dem Kongo und demnächst Burundi möglich werden bzw. wurden.

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